Vielleicht hast du ja den Film „Benvenuti al Sud“ (Miniero, 2010 IT) gesehen. Der Film handelt von einem Beamten aus Norditalien, der in den Süden versetzt wird und mit seinen Vorurteilen über die „kriminellen Höhlenmenschen“ (Zitat aus dem Film) konfrontiert wird. Der Film ist zum Totlachen und ich kann den nur wärmstens weiterempfehlen, um sich auf den nächsten Südtalienurlaub einzustimmen. Zum Trailer
Der Ruf des Süditalieners eilt ihm scheinbar voraus. Ich frage mich woher unser Stereotyp des Süditalieners stammt? Ist es vielleicht die Gangsterreihe wie „Der Pate“ (Coppola, 1972 US), die uns ein Bild von gewaltverherrlichenden Mafiosi vermittelt? Fest steht es sind diese fiktiven Filme, die gewisse Gesellschaftsstrukturen widerspiegeln und vielleicht auch mit seinen medialen Mitteln hinterfragen.

Da ich selber in Süditalien war, wollte ich gleich mal einige Sachen klarstellen und auch mit meinen eigenen Vorurteilen aufräumen:
Vorurteil #1: Süditaliener können nicht Auto fahren
Der Fahrstil der Neapolitaner ist berühmt berüchtigt. Das Hupen scheint dort zur Tagesordnung zu gehören, genau wie das Telefonieren am Steuer. Ein weiteres Thema ist das Parkieren: Mal schräg, mal quer und mal zwei Autos parallel nebeneinander, ich habe mich beim Anblick köstlich amüsiert. Ich muss zugeben ich hatte auf den Strassen einige „Herzinfarkte“, auch wenn nur im Beifahrersitz des Mietautos. Im neapolitanischen Strassenverkehr braucht man definitiv starke Nerven und lärmresistente Ohren!
Vorurteil #2: Unehrliche Taxifahrer
Wenn du kein Mietauto hast, bist du natürlich auch auf Taxis angewiesen. Wenn du mit einer Süditalienerin unterwegs bist, die auch Neapolitanisch (nicht Standard-Italienisch) spricht, dann bist du schon mal auf der sicheren Seite und wirst garantiert nicht beschissen. Ansonsten musst du viel Glück haben um am Bahnhof oder am Flughafen einen Taxifahrer zu erwischen, der keinen Pauschalpreis macht, sondern das Taximeter anstellt.
Vorurteil #3: Der „Parkplatzwächter“
… oder die Autoversicherung für einen Euro! Etwas, dass sich im Süden etabliert hat, ist der inoffizielle „Parkplatzwächter“. Ein selbsternannter Typ, der sich „sein Revier“ aussucht, dem du dann auch noch einen Euro zahlen musst, nur damit du parkieren darfst. Ich schätze mal, dieser hat einen netten Stundenansatz. Es gilt die Devise: Lieber einen Euro zahlen, als nachher ein zerbeultes Auto vorzufinden.
Vorurteil #4: Es hat überall Müllberge
In Neapel war die Verschmutzung auf den Strassen ähnlich wie in jeder anderen Grosstadt auch. Durch die hohe Bevölkerungsdichte und die grosse Fläche der Stadt gibt es vergleichsweise grosse Herausforderungen für die Stadtverwaltung. Es gab jetzt keine Müllberge und fliegende Abfallsäcke. Das Gerücht ist entstanden, weil es in einem Dorf mal eine Art Streik gab bei der Müllabfuhr und dadurch wurden auch viele Leute krank. Aber wie in jeder anderen Stadt auch, gibt es eine geregelte Müllabfuhr :-P
Vorurteil #5: Die Vetternwirtschaft
Ich kann dies jetzt auch nur aus überlieferten Geschichten weitererzählen und anscheinend ist dies weiterhin ein Problem in Italien. Vor allem bei der Stellensuche (besonders für Studienabgänger) ist es schwierig in Italien ohne Vitamin B eine Stelle zu finden: Nur wer jemanden kennt, der kann auf eine entsprechende Stelle hoffen. Darum würden viele überqualifizierte Studiengänger in Pizzerien oder Bars arbeiten. Was ihnen oftmals übrigbleibt, ist die Stadtflucht in die Metropolen oder die Abwanderung in die Nachbarländer.
Vorurteil #6: Der Aberglaube
Im strengkatholischen Italien ist die Heiligenverehrung in vielen Haushalten ein wichtiger Bestandteil des Alltags. Es gibt auch viele Bräuche, wie das aufhängen einer kleinen Paprika und Knoblauchketten, die das Übel fernhalten und Glück bringen sollen. An verschiedenen Souvenirshops kann man sogar Plastikpaprikafigürchen mit Lottozahlen kaufen.
Ich hoffe es fühlt sich jetzt niemand persönlich angegriffen. Es war nicht meine Absicht irgendjemanden zu verletzen. Ich fühlte mich äusserst wohl in Süditalien. Jede Gesellschaft hat so seine Eigenheiten, die man als Touri hinterfragt und auf Anhieb vielleicht nicht versteht. Man beobachtet und vergleicht mit dem Bekannten aus dem eigenen Kulturkreis. Für das ist ja der interkulturelle Austausch auch da (um Vorurteile zu hinterfragen und sich sein eigenes Bild zu machen). Ich fand es spannend zu beobachten, wie der Süden Italiens organisiert ist und nahm die ganze Situation nicht zu verbissen, wenn mal etwas nicht perfekt war, wie die teilweise stark löchrigen Strassen. Hey free Safari! Schlussendlich hat jede Region seinen Charme und seine schönen, wie auch weniger schmeichelhaften Seiten. In Süditalien merkt man den starken Zusammenhang der Bevölkerung und besonders einer Familie. Egal was man tut, man geniesst das Leben in vollen Zügen und gibt sich voller Leidenschaft, sei es beim Sprechen mit den Händen, beim Kochen oder beim TV (Fussbal-) schauen.
Wenn es ein Wort gäbe, das den Süditalier am besten beschreibt, dann wäre dies wohl ‚Leidenschaft‘!