Städteguide: Seoul für Anfänger

Manch ungeahnte Reiseerlebnisse entstehen erst, wenn man sich ins Ungewisse stürzt. So erging es mir mit meinem letzten Städtetrip in Seoul. Mit wenig Vorwissen über die Stadt, geschweige der Kultur und nicht existenten Kenntnissen der koreanischen Sprache nahm ich mir 6 Tage Zeit um möglichst viele Facetten Seouls einzufangen. Dies sind meine Top 10 Highlights die Seoul als Städtedestination einzigartig machen und Dich vielleicht davon überzeugen einen Zwischenstopp in Seoul bei Deiner nächsten Asienrundreise zu inkludieren.

(Text: Paulo Zenz / Fotos: Paulo Zenz & Mark Francis Parallag)

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Seoul und die Flussschlaufe des Hangang (Foto: Zenz)

Nahtloses ÖV-Netz

Die Stadt Seoul hat eine Bevölkerungsdichte, die fast doppelt so hoch ist wie die von New York City. Im Stadtkern inklusive der Satellitenstädte (der Vororte) wohnen insgesamt 10 Millionen Menschen. Zählt man die gesamte Metropolregion Sudogwon sind es sogar knapp 25 Millionen Einwohner, knapp die Hälfte der gesamten Bevölkerung Südkoreas. Seoul ist das kulturelle, ökonomische sowie politische Zentrum von Südkorea. Die dichtbesiedelte Bevölkerung lässt sich bei der Vielzahl an Hochhäusern erahnen. Da sich die Stadt auch flächenmässig stark verteilt, sind uns die enormen Ausmasse der Bevölkerung nicht besonders aufgefallen. Bereits der moderne Flughafen Seoul Incheon, der ca. 64km von der Innenstadt entfernt ist, ist durch seine nahtlose Anbindung mit dem Airport Express Zug (AREX) innert 55 Minuten erreichbar. Auch innerhalb der Stadt kamen wir mühelos dank dem ausführlichen und leicht verständlichem Streckennetz der U-Bahnlinie «Metro» ans Ziel. Seit 1974 hat Seoul sein U-Bahn-Netz stark ausgeweitet, modernisiert und den Verkehr somit stark entlastet. Besonders die günstigen Ticketpreise haben uns überzeugt!

Airport Express von Incheon nach Itaewon kostete nur 4250 Won (rund 4 CHF) pro Person.

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Schnappschuss in der Metro (Foto: Zenz)

Zu Fuss die Stadt entdecken

Besonders hängengeblieben sind uns auch die breiten Fussgängerzonen, die zum Flanieren und Spazieren einladen. Das Leben in Seoul spielt sich bei gutem Wetter draussen statt. Bei Schlechtwetter findet man in den einzigartigen Untergrundmalls mit hunderten von Läden Unterschlupf. Bestes Beispiel ist die Gegend rund um den und unter dem Lotte World Tower. Hier befindet sich ein Themenpark, eine riesige Unterwasserwelt mit Belugawalen(!), zahlreiche Restaurants, Museen und vieles mehr! Ein weiteres Gesetz zum Erhalt der Lebensqualität verpflichtet die Stadtplanung mindestens ein Viertel seiner Fläche als öffentlicher Park zugänglich zu machen!

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Reihe von Luxusboutiquen in Cheongdong (Foto: Zenz)

Namsan Park

Wer umgeben von Hochhäusern lebt freut sich umsomehr auf gut erreichbare Naherholungsziele. Als eines unserer ersten Aktivitäten spazierten wir den Hang des Namsan Bergs hoch. Der entspannte Aufstieg lässt sich in knapp 30-40 Minuten bewältigen. Oben angekommen thront schon der 265 Meter hohe N-Tower Seoul. Hier findet man historische Überreste der ehemaligen Stadtmauer, sowie ein grosses Unterhaltungsangebot (Hello Kitty Museum) und ein reiches kulinarisches Angebot von «Sitdownlokalen» bis zu Fastfood. Der Rundumblick auf Seoul ist bei Klarsicht phänomenal: Hier erkennt man die Flussschlaufe des Han-Flusses sowie die zahlreichen Brücken und ikonischen Hochäuser wie der Lotte World Tower, das fünfthöchste Gebäude der Welt.

Zutritt zum Observatory Deck über Klook Travel gebucht.

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Bester Ausblick in Seoul (Foto: Zenz)
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Rundumblick im N-Tower Seoul (Foto: Zenz)
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Einige „Love-Locks“ am Namsan Mountain (Foto: Zenz)
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Sonnenuntergang und das Quartier Myeongdong (Foto: Zenz)

Trendviertel Itaewon

Itaewon wird oftmals als Mikrokosmos bezeichnet, ein Viertel wo internationale Einflüsse die meist 2-3 Stockwerkigen Bauten formten. Zudem befindet sich auch hier eine grosse muslimische Gemeinschaft und eine Moschee. Viele verwinkelte Gässlein beherbergen hippe Bars und Rooftoplokale. Die Backsteingebäude und die vielen Neonschilder erinnern uns an Brooklyn, genauso wie die sehr hipstrig angezogenen Einheimischen. Itaewon ist als zentralgelegenes Quartier mit gutem Nightlife und vielen Englishsprachigen Lokalen ein guter Ausgangspunkt für Touristen. Während unseres Aufenthalts hatten wir ein Privatzimmer bei Johnny’s Guesthouse via Mister B&B gebucht. Unser Host Johnny ist nicht nur Gastgeber, sondern auch Barbesitzer des «Rabbithole Arcade Hall & Pub». Wer alte Spielautomaten und ein Faible für Nintendo hat, wird in seiner Bar kam aus dem Schwärmen kommen!

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Kulinarisches Angebot in den Gässlein von Itaewon (Foto: Zenz)
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Brooklyn-Feeling in Itaewons Gassen (Foto: Zenz)

Coffee-Shops soweit das Auge reicht

Südkkoreaner lieben ihre Coffeeshops mit Kaffee- Mischgetränken, Tee, Kuchen und anderen süssen Versuchungen – und dies zu jeder Tageszeit. Nebst den Filialen bekannter Kaffeehäuser wie Starbucks findet man in Seoul auch einzigartige Themengewidmete Coffeeshops wie das «Coffeegraphy». Bei jedem Kaffee ist ein Schnappschuss im integrierten Fotostudio erhältlich oder das «Bavaria Studio», das als Antikgeschäft viele Relikte aus Süddeutschland enthält. «Warum» wird man sich fragen? Die koreanische Besitzerin lebte lange Zeit in Deutschland und so haben sich einige Fundstücke mit Seltenheitswert angesammelt. Der Cappuccino insbesondere der leckere Milchschaum hat mit umgrechnet 5 Franken (für asiatische Verhältnisse) einen hohen Preis, aber dafür ist er echt super! Zudem ist in der ganzen Stadt ähnlich wie bei den Amerikanern auch die «Coffee-To-Go-Kultur» ein stark verbreitetes Phänomen.

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Kaffeepause im „Bavaria Studio“ in Itaewon (Foto: Zenz)

Myeongdong Night-Market

Das Viertel Myeongdong beinhaltet nicht nur die Haupteinkaufsmeile sondern auch einen sehr beliebten Nightmarket mit Streetfoodspezialitäten: Mit-Käse-überbackener Lobster, Eggbread, Fishcake aus der Region Busan, sowie die gewöhnungsbedürftigen Korean Sausages, bei denen wir nicht sicher sind, ob da überhaupt Fleisch drin ist. Hauptsache der kleine Hunger und die Gelüste unterwegs werden gestillt. Der Markt ist besonders am Abend ein Highlight, da die Werbereklamen in voller Leuchtstärke um die Wette strahlen. Auch ein guter Ort um sich mit Souvenirs und koreanischen Kosmetik-/ Beautyartikeln einzudecken.

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Streetfood in Myeongdong (Foto: Zenz)
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Crab-Fries am Night Market von Myeongdong (Foto: Zenz)
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Eggbread, lecker! (Foto: Parallag)
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Scharfe Garnelen am Spiess (Foto: Zenz)
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Lobster-Spezialität in Myeongdong (Foto: Parallag)

Tempel und Paläste

Als Hauptstadt der ehemaligen Joseon-Dynastie verfügte Seoul über sechs Paläste, von denen heute noch fünf erhalten sind. Wir besuchten den Gyeongbokgung Palast im Viertel Gwanghwamun, der während des Imjin-Krieges gefallen und erst 1865 wiederaufgebaut wurde. Der Palast wurde während des Krieges nicht von Japanern sondern von den eigenen Sklaven zerstört, die sich gegen ihre Leibeigenschaft rebellierten. Der Palast hat noch heute dank Restaurationsarbeiten zahlreiche Ornamente und erstrahlt in voller Leuchtkraft. Wer im Palast Fotos machen möchte, sollte sich etwas geduldigen und hintere Ecken des Palastgartens ohne Menschenmassen aufsuchen. Der unter den Touristen und Einheimischen äusserst beliebte Palast erzählt die Geschichte der 500-jährigen Joseon Dynasty. Neben der eindrucksvollen, majestätischen Architektur erfährt man auch mehr über die Traditionen und das damalige royale Leben im National Palace Museum sowie im National Folk Museum of Korea. Wer Lust und Laune hat sich selbst in diese kaiserliche Zeit zurückzuversetzen, kann mittelbar vor dem Eingang des Palastes gleich in verschiedenen Rentalshops eine traditionelle koreanische Tracht, einen «Hanbok,  wahlweise für 1, 2 oder 4 Stunden mieten. Durch das Tragen dieser zeremoniellen Tracht erhält man freien Eintritt zum Palast. Perfekt für das spontane Fotoshooting für Instagram 😉

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Gyeongbokgung Palast (Foto: Parallag)
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Ob mir dieser gelbe „Hanbok“ Glück bringen wird? (Foto: Parallag)
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Gyeongbokgung Palast (Foto: Zenz)

Als zweite historische Sehenswürdigkeit besuchten wir den Bongeunsa Tempel in Gangnam, der im Jahr 794 n.Chr. erbaut wurde. Dieser Tempel wurde im 15. Jahrhundert errichtet und diente als Zentrum des Zen-Buddhismus. Heute steht er im Kontrast nördlich zum heutigen World Trade Center. Der Tempel brannte mehrmals ab und so sind die meisten Gebäude in der Anlage in neuerer Zeit erbaut worden.

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Bongeunsa Tempel (Foto: Parallag)
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Traditionelle Gelehrtenhäuser des Bongeunsa-Tempels (Foto: Parallag)
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Detailaufnahme Bongeunsa Tempel (Foto: Parallag)

Kraftort Nami Island

Knapp 2 Stunden Busfahrt von Seoul entfernt befindet sich ein ganz besonderer Naherholungsort, die sogenannte «Naminara Republik» oder kurz «Nami Island». Die halbmondförmige Insel war einst nur eine unbewohnte Sandbank. Der ehemalige Präsident einer koreanischen Grossbank sah das Potenzial dieses Ortes und investierte nicht nur eigenes Kapital, sondern auch mehrere Jahre seiner Pensionierung, um diese ungenutzte Insel zu einem von menschenerschaffenes Naturreservoir umzugestalten. Obwohl die Insel nur rund 500 Meter vom Festland entfernt ist, erreicht man diese nur durch eine Bootsfähre (oder Zipline). Die Besucher sollen sich auf Nami Island wie an einem Ort fühlen, daher ist auch die EIngangskasse als «Immigration» gekennzeichnet. Die endlosen Baumalleen mit weissen Birken und Ahornbäumen ergeben zu jeder Zeit ein Naturereignis. Wer etwas länger in diesem Reservoir verbringen möchte, hat auch die Möglichkeit im einzigen (Fünfstern-) Hotel, dem Hotel Jeonggwanru, zu nächtigen. Unbedingt ein Tandemvelo ausprobieren!

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Baumallee bekannt geworden durch den kor. Film „Winter Sonata“ (Foto: Zenz)
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Tandemvelofahren, mehr Spass zu zweit (Foto: Zenz)
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Eingang zur Töpferei (Foto: Zenz)
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„Stillende Mutter“ witzige Kunstskulptur (Foto: Zenz)
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Junge weisse Birke (Foto: Zenz)

Miete Tandemvelo für 1 Stunde, 16000 Won (15 CHF), normales Velo 8000 Won (7.50 CHF)

Bustransfer mit Fähre und Eintritt Nami Island (ohne Tour) für rund 24 CHF pro Person über Klook Travel gebucht.

Untergrund-Einkaufszentren & K-Pop Hype

Eine weitere Besonderheit Seouls waren die unterirdischen Einkaufshäuser, die einem doch glatt vergessen lassen, dass man sich unterhalb der Stadt bewegt. Zahlreiche Kosmetik- und Beautyläden, ja sogar KPOP-Fanshops, Boutiquen und sogar Streetfood! Die Rettung bei Schlechtwetter! Was wäre Seoul ohne die Boy- und Girlgroups, die mit ihren schrillen Haarfarben, den wagemutigen Outfits und perfekt einstudierten Choreos die Popkultur wieder auferleben lassen. Für Fans dieses Popphänomens gibt es im Viertel Gangnam gleich neben dem COEX Convention Centre ein mehrstöckiges Museum das SMWorld, das ein K-Pop-Museum, sowie en Themen-Café beherbergt.

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K-Pop Konzert während des Gangnam-Festivals (Foto: Zenz)
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K-Pop Wall of Fame im SM World Museum (Foto: Zenz)
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Popstar Psys Hände „Gangnam Style“ (Foto: Zenz)
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Gangnam Style Denkmal bei der gleichnamigen Metro Station (Foto: Zenz)

Koreanische Küche Hotpot

Die meisten Namen der Restaurants, die wir in Itaewon und Myeongdong besucht haben kann ich weder aussprechen geschweige merken. Was mir hingegen geblieben ist, sind die zahlreichen „Side-Dishes“ die typischerweise zu jedem Hauptgang dazuserviert werden: scharfes Kimchi, eingelegte Gurken und Sojasprossen, fermentierte Zuckerrübe. Hauptsache fermentiert und geschmacksintensiv! Der Besuch eines traditionellen Korean-BBQs mit einem integrierten Tischgrill ist bei einem Korea-Besuch fast schon Pflicht! Falls man in den koreanischen Lokalen vergeblich nach Besteck sucht, dieses befindet sich meist in integrierten Schubladen unter dem Esstisch.

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Bibimbap mit Rindstartar (Foto: Zenz)
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Korean BBQ (Foto: Zenz)

Fazit

Seoul ist eine exemplarische Planstadt: organisiert und modern, um sich den Herausforderungen der wachsenden Gesellschaft zu stellen. Im Gegenzug zu anderen Metropolen Südostasiens, ist es hier als «Westler» super angenehm zu Fuss die unterschiedlichen Quartiere zu erkunden. Jedoch sind in Seoul die Quartiere von den Dimensionen her wesentlich grösser! Von der faszinierenden Architektur wie der Skyline in Gangnam, dem malerischen Flussufer des Hangangs, und den vielen Naherholungsorten…Seoul ist wie gemacht für einen abwechslungsreichen Städtetrip. Doch auch eine moderne Metropole wie Seoul hat seine Negativseiten. Bei Gesprächen mit einigen Expats erfahren wir, dass hier der Wunsch nach Perfektion und der internalisierte Leistungsdruck der Gesellschaft besonders ausgeprägt sind und manch Leben gekostet hat. Ausserdem ist auch der Schönheitswahn stark ausgeprägt. Wer hier mit Gesichtsmaske rumläuft (und das sind so einige) hatte mit grosser Wahrscheinlichkeit soeben einen plastischen Eingriff hinter sich.

Sprachlich hatten wir in den Lokalen auch etwas unsere Verständigungsschwierigkeiten. Immerhin können alle Bank- und Ticketautomaten auf Englisch bedient werden. Leider funktionierte das Abheben mit der Maestro-Karte nicht. Daher ist es äusserst empfehlenswert eine Kreditkarte, selbst für das Geldabheben (trotz hoher Gebühren) bei sich zu haben. Ein weiterer Nachteil der Ticketautomaten war, dass hier nur Cash akzeptiert wird. Deshalb lohnt es sich vor jedem Trip mit der U-Bahn oder dem Bus immer genügend 1000er-Wonscheine und Kleingeld bei sich zu haben. Auch beim Busfahren mussten wir immer den genauen Betrag (1300 Won pro Fahrt) in die entsprechende Box beim Chauffeur einwerfen. Alles in allem würde ich empfehlen sich genügend Zeit für einen ausführlichen Seoulbesuch einzuplanen. Empfehlenswert sind mindestens 5 Tage, da jedes Quartier seine eigene Geschichte zu erzählen hat.

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