Manche Städte übersieht man bei der Reiseplanung gern. Bei mir war es lange Zeit Lissabon gewesen bis ich einestages die Episode der Netflix-Foodsendung „Somebody Feed Phil“ schaute und diese voller Faszination mitverfolgte. Wenige Wochen später war dann auch der Flug ZRH-LIS gebucht.
Hier sind meine Highlights von der Städtereise im September 2019…
Auf den Spuren des Fado
Die Hauptstadt Portugals ist vor allem für zwei Dinge bekannt: Für das Lebensgefühl „Saudade“, das eine melancholische Lebenshaltung verkörpert, sowie den Musikstil „Fado“, der genau diesen mit Gitarrenklängen und vom Herzen kommenden Gesängen untermalt. In der Altstadt Alfama, wo ich mit meiner Kollegin Gina für die nächste Tage untergebracht war, sind dieser Tradition einige Denkmäler, Museen sowie StreetArt gewidmet. Gut zu wissen: 2011 wurde der Fado in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen.
Eine intime Vorführung genossen wir im Ocorrido – Casa de Fado, das gleich nebenan der Igreja de Santa Engrácia gelegen ist. Ganz wichtig: während einer Fadovorführung gebührt die ganze Aufmerksamkeit der Musikgruppe, d.h. es darf weder gesprochen, noch gegessen werden. Während unseres mehrstündigen „Konzert-Dinner-Erlebnisses“ genossen wir auf Empfehlung des Hauses lokale Speisen wie Bacalhao (Stockfisch), eingelegte Auberginenfilets und eine Art Tomatenrisotto gepaart mit ausgezeichnetem Rotwein. Gegessen wurde meist zwischen den Performanceeinlagen, von denen wir isngesamt vier erlebt hatten. Auch die persönliche Betreuung durch den Besitzer samt Service war tadellos. Das Ocorrido ist wirklich sehr zu empfehlen und entsprechend deshalb auch fairerweise auf Tripadvisor mit 5 Sternen versehen.
Antiquitäten an der Campo Santa Clara
Der grösste und schönste Flohmarkt, der Feira da Ladra (übersetzt Markt der Diebin) findet jeden Dienstag und Samstag im Campo Santa Clara statt. Hier findet man jede Menge tolle Antiquitäten, ein wenig Ramsch, sowie die bei Touristen äusserst beliebten Fliesen mit allen Farben und Mustern. Wobei uns erzählt wurde, dass diese meist gestohlene Waren seien. Ob der Name des Flohmarktes durch diese Praxis beeinflusst wurde, können wir nur erahnen.
Mit einer Yacht entlang des Rio Tejo
An einem relativ bewölkten Abend hatten wir über Airbnb Experiences eine Sunset Cruise Gruppentour gebucht. Die zweistündige Fahrt bot eine einzigartige Möglichkeit Lissabon in seiner ganzen Pracht zu Gesicht zu bekommen. In guter Gesellschaft mit anderen Touris aus aller Welt (wir waren ca. 12 insgesamt) und ausgestattet mit Rosé in Pappbechern fuhren wir an etlichen Denkmäler vorbei und lernten durch unseren informierten Guide und Bootsmann mehr über die Geschichte Lissabons kennen. Zu den Sehenswürdigkeiten gehörten der Torre de Belem, die Christus-Statue in Almada (gegenüber Lissabon), das Entdeckerdenkmal Padrão dos Descobrimentos sowie eine der längsten Brücken der Welt, die Vasco-da-Gama-Brücke auch als „Ponte-25-de-Abril“ bekannt. Die 12’345 km lange Schrägseilbrücke wurde 1995 als Denkmal zum 500-jährigen Jübiläum der Entdeckung des Seeweges nach Indien errichtet und pünktlich zur Weltausstellung 1998 fertiggestellt. Die kleine Kreuzfahrt hätte abgesehen vom Wetter nicht besser sein können. So blieb uns leider ein schöner Sonnenuntergang verwehrt.
Flanieren im Herzen von Lissabon
Als Baixa (Pombalina) versteht man den unteren Stadtteil, das Herz von Lissabon. Fast zu jeder Tageszeit ist dieses Viertel mit Touristenströmen und Einwohnern gut besucht. Dies liegt auch an den überdimensionalen Kreuzfahrtschiffen, die in Lissabon täglich anlegen. Nichts desto trotz bietet das Zentrum einige tolle Orte an, um einen Kaffee und lokale Spezialitäten wie Pasteis de Nata (Blätterteigtörtchen) oder die süssen Ovos Moles zu probieren. Ovo Moles stehen für unterschiedliche süsse Desserts, die hauptsächlich mit Eigelb hergestellt werden. Dies hat einen religiösen Hintergrund: Das Eiweiss wurde als Steife für liturgische Textilien verwendet und das übriggebliebene Eigelb fand so einen anderen Verwendungszweck und mit der Zeit seinen festen Platz in der portugiesischen Küche.
Eines der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Baixas wäre der 45m hohe Personenaufzug Elevador de Santa Justa, der Baixa mit dem höhergelegenen Viertel Chiado verbindet. Vor dem Lift, der bis zu 24 Personen umfasst, steht meistens eine längere Menschenschlange, darum sind wir nicht hinauf. Stattdessen legten wir auf dem Rooftop des Lisbon Art Hotels eine Prosecoo-Pause ein und genossen eine privateres Ambiente mit Aussicht auf Lissabon und den äusserst beliebten Stahlturm. Wer Secondhand Mode mag wird auch in Baixa garantiert fündig. Zu unseren Entdeckungen gehören unter anderem das Secondhandkleidungsgeschäft Humana oder etwa der Vintageladen Outra Face da Lua .
Lissabons Foodhotspot
Am Hafenquartier Belém gibt es so einige Sehenswürdigkeiten. Dazu gehört sicherlich auch ein Besuch im „TimeOut Market„, der ein beliebtes Besuchsziel von Touristen ist. Und der hohe Besucherandrang ist nicht unbegründet. In der gut organisierten und edlen Markthalle findet man alle lokale Spezialitäten, ca. 24 Stände, an einem Ort vereint. Ausser an Sitzgelegenheiten mangelt es hier an gar nichts. Ich entschloss mich die für Lissabon berühmten Dosensardinen an Olivenöl zu probieren, sowie mich auch an ein paar frische Austern zu erfreuen. „The world is your oyster“ wie man so schön sagt.
LX Factory: Mittelpunkt der Kreativszene
Die „LX Factory“ ist bei Locals sowie Touristen gleichermassen ein beliebtes Ausflugsziel. Das wiederbelebte Fabrikgelände hat ein hippes, alternatives Flair, als ob es irgendwo in Brooklyn NY stehen würde. Hier treffen Künstler-/ Textilateliers, verschiedene Concept-Läden und trendige Cafés und Restaurants aufeinander. Weil das Gelände entsprechend viel zubieten hat waren wir hier gleich an zwei unterschiedlichen Nachmittagen und machten uns mit offenen Augen auf Entdeckungstour. Kein Geheimtipp, aber trotzdem voller Überraschungen!
Einmal quer durch die Stadt
Ein weiteres Highlight unseres Trips war die dreistündige StreetArt-Tour durch unterschiedliche Viertel und sogar in einer verlassenen Lagerfabrik. In einer kleinen Gruppe zu viert machten wir uns teil zu Fuss und teils per Van durch unterschiedliche Viertel auf Erkundungstour. Primär am Stadtrand von Lissabon, in den Sozialvierteln, die primär von Migranten mit afrikanischer Herkunft bewohnt waren, gab es die schönsten und grössten Werke zu sehen. Hier verzierten riesige Graffitis ganze Wohnhäuser. Ehrlich gesagt, kam mir während der Tour ab und zu ein mulmiges Gefühl auf. Da es sich etwas schaulustig anfühlte das Zuhause anderer Menschen abfotografierten. Ob sich wohl die Locals dort ab den Besuchern nerven? Oder sind sie vielleicht ganz im Gegensatz stolz auf ihre bunten und mit Symbolik beladenen Häuserfassaden? Eine ungewöhnliche Erfahrung war es auf alle Fälle. Getoppt wurde diese Begegnungen auch mit dem Eis, das wir über ein Küchenfenster von einer netten Hausfrau erwarben. Wer genügend Zeit während seines Aufenthalts hat, sollte sich eine StreetArt/Graffiti Tour nicht entgehen lassen. Mit oder ohne mulmiges Gefühl!
Beliebter Badeort der Lisboeta
Die Costa da Caparica liegt ca. 45min Autofahrt von Lissabon entfernt, auf der anderen Seite des Flusses Tejo. Unterwegs dorthin fallen uns einige „fremde“ Siedlungen auf, die einer kommunitischen Minderheit angehören, wie uns der Taxifahrer verraten hat. Angekommen am weitläufigen Badestrand begrüssen uns mehrere Cocktailsbars, Seafoodrestaurants, sowie einige vereinzelte Hotelanlagen und Surfschulen. Der hellbraune Sandstrand ist ein perfekter Badestrand wie aus dem Bilderbuch und bei Locals sowie Touristen gleichermassen beliebt. Hier verbringe ich die letzten Stunden an der Sonne bevor es zurück an den Flughafen Richtung Schweiz geht.
Fazit
Mit mehreren Spanienbesuchen dachte ich die iberische Halbinsel kulturell bereits abgehakt zu haben, aber da hatte ich mich sehr geirrt. Zum Glück! Denn Lissabon, erbaut auf sieben Hügeln, glänzt nicht nur als eine der schönsten und am besten erhaltesten Kulturstädte, sondern bietet auch eine Fülle an Attraktionen und Sehenswürdigkeiten voller Kontraste und Überraschungen an. Nach fünf abwechslungsreichen Tagen in der Hauptstadt Portugals komme ich zum Schluss, dass Lissabon alle Kriterien erfüllt, die man sich von einer Städtereise erhofft: eine reiche Kultur und Geschichte, faszinierende Architektur mit atemberaubenden Häuserfassaden (unter anderem in wunderschönen Pastelltönen) und eine vom Meer gezeichnete Kulinarik und diverse Foodszene, sowie Naherholungsorte für die Sonnenhungrigen unter uns. Überraschend ist auch die eklektische Kultur- und Kunstszene. Nirgendwo sonst in Europa habe ich an einem Ort soviel StreetArt zu Gesicht bekommen wie in Lissabon.
Zusammenfassend würde ich gar behaupten, dass Lissabon gut mit Kulturmetropolen wie Berlin und Amsterdam mithalten kann und definitiv einen Platz am Podest der besten Städtereisedestinationen Europas verdient hat.